Buchcover Als uns die Welt die zu Füssen lag

Als uns die Welt zu Füssen lag

Nur wer tanzen kann, ist wirklich frei – zwei Frauen gehen ihren Weg

Norddeutschland, 1931.
Endlich Freiheit, denkt Vicky, als sie übereilt vom elterlichen Rosenhof auf dem Land nach Hamburg flieht. Doch der Traum der Freiheit platzt schneller als gedacht. Gleich nach ihrer Ankunft in der Großstadt verliert Vicky all ihr Hab und Gut. Verzweifelt sucht sie eine Bleibe und ist kurz davor, aufzugeben, als sie Luise kennenlernt. In der jungen Frau findet Vicky die Freundin, die sie niemals hatte. Als Vicky den Modesalon ihrer Tante ausfindig machen kann, wendet sich endlich alles zum Besten. Großartige Kleider, rauschende Feste und Swingtanz lassen den unglückseligen Beginn ihrer Reise fast vergessen. Wären da nicht die Schatten der Vergangenheit, die Vicky eines Tages unliebsam einholen …

ISBN: 978-3-7499-0233-0
Verlag: Harpercollins 

Zitate auf der Klappseite

Interview mit Ilona Einwohlt

Worum geht’s in deinem Roman?

Um die Liebe zur Freiheit und die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben – als Frau.

Der Roman spielt in Hamburg im Jahr 1931. Zu einer Zeit, als die Weltwirtschaftskrise schon abzusehen war und die „Goldenen Zwanziger“ längst nicht mehr golden. Hals über Kopf flüchtet Vicky vom elterlichen Rosenhof Willenbrock, um der Fremdbestimmung durch ihren Vater zu entgehen. Sie will in Hamburg ein neues Leben beginnen und ihr Glück versuchen, endlich studieren. In der gleichaltrigen Luise, die mit ihrem Bruder zusammenlebt, findet sie eine beste Freudin. Gemeinsam erkunden sie die Stadt und genießen das Leben. Vicky verliert ihr Herz an Swing – und an den Musiker Johnny.

Mit Luise begibt sie sich auf Jobsuche, denn Arbeit muss her, Arbeit macht frei. In Zeiten der Massenarbeitslosigkeit keine leichte Aufgabe. Und Luise hat ganz andere Vorstellungen vom Leben: sie sucht einen reichen Ehemann, damit sie endlich einen Blaufuchs tragen kann und keine Kunstseidenen Kleider mehr.

Auf einem übermütigen Tanzabend überschlagen sich dann die Ereignisse, Vicky lernt Hamburg von einer ganz anderen Seite kennen. Der Zufall bringt Vicky ins Bellefleur, dem legendären Modesalon. Hier findet sie endlich Arbeit und ein neues Zuhause, kann ihre Kreativität und ihr Gespür für Mode und florale Muster einbringen, um das Bellefleur vor dem Ruin zu retten. Für ein paar Wochen kommt Schwung und Leichtigkeit in Vickys Leben, alles scheint gut zu werden. Allerdings ist der Modesalon in ein dubioses Geschäft verwickelt und die Schatten der Vergangenheit holen Vicky schneller ein, als ihr lieb ist. Zudem bekommt sie die Widrigkeiten der Zeit auch am eigenen Leib zu spüren, begegnet Armut und Gewalt. Dank ihres schöpferischen Willens und Ideenreichtums schafft sie es, diese Krisen zu meistern.

Wovor läuft Vicky eigentlich davon?

Wir alle haben unsere Geschichten im mentalen Gepäck, tragen Erlebnisse mit uns herum und können uns manchmal ein Leben lang nicht von den traumatischen Ereignissen unserer Kindheit lösen. So ist es auch bei Vicky, die erst nach und nach begreift, dass sie sich der Vergangenheit stellen muss, um die Zukunft zu bewältigen. Erst als Frieden damit schließt, ist ein Neuanfang möglich. Vordergründig ist es die Zwangsverheiratung, tatsächlich aber ist ein tragischer Unfall die Ursache für ihre Nöte.

Neben Vicky spielen noch viele Frauen eine wichtige Rolle. In Zwischenkapiteln lässt du sie einzeln zu Wort kommen. Warum?

Es gibt nicht nur eine Sicht auf die Dinge. Und Frauen lebten zu der Zeit auch sehr unterschiedliche Leben, das war mir wichtig zu erzählen: die prekäre Situation der Arbeiterinnen, die nicht wussten, wie sie ihre Kinder satt kriegen sollten, Zugang zu Bildung und Verhütung versperrt. Höhere Töchter, die mit ihrem Leben nichts anzufangen wussten und sich, um der Fremdbestimmung zu entgehen, prostituierten, zumal sie damit auch Geld verdienen konnten und das Gefühl hatten, „zu arbeiten“, was sie ja dank ihrer Ehemänner nicht durften. Aufstrebene junge Frauen, die als Tippmamsell arbeiteten, um sich etwas leisten zu können, jedoch von einem reichen Mann und unbeschwertem Leben träumten. Raus aus der Kunstseide, rein in den Blaufuchs, sozusagen. Oder Frauen, die mit ihrem Geschlecht haderten, ihre Homosexualiät nicht leben konnten oder sich im falschen Körper gefangen fühlten. Frauen, die einfaches, bescheidenes Leben führten, ohne ihre Stimme zu erheben. Und natürlich die Frauen aus Vickys Famiilie, die in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielen: Ihre Mutter, die Schwester, die Tante, die Vickys Schicksal jeweils aus ihren Perspektiven beleuchten.

Waren die Goldenen 20er wirklich so bunt?

Zwischendrin sicher. Und auch sehr frei und ungezwungen muss es dort zugegangen sein. Für die, die es sich leisten konnten und das waren nicht so viele. Gerade junge Frauen haben tagsüber hart gearbeitet, um sich ein glitzerndes Kleid für die Nacht leisten zu können. Geschlechtskrankheiten oder Schwangerschaften waren dann oft fatale Folgen.

Mode spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Auch für dich?

Ich bin nicht sonderlich modisch, aber sehr eitel 😉 und ich habe es geliebt, mich für diesen Roman in die Mode-Recherche zu stürzen! Ich hätte gerne zu der Zeit gelebt und diese Kleider getragen, den Wechseln von langen zu kurzen Röcken, das Weglassen der einengenden Mieder … Wer genau hinliest, merkt, dass meine Eve Bellefleur ein paar Ähnlichkeiten mit Coco Chanel aufweist, die etwa zur gleichen Zeit mit ihren unglaublichen Kreationen die Kleiderordnung für Frauen revolutioniert hat: die Taille höher, weiche, schmeichelnde Schnitte, Hosenanzüge. Und das Twin-Set samt Perlenkette, mit dem man immer angezogen war …

Beim Lesen hat man das Gefühl, die Sätze gehorchen einem Takt …

Kein Wunder! Ich habe während des Schreibens viele alte Lieder, Schlager und Songs, gehört insbesondere E-Swing und meinen Lieblings DJ Parov Stelar. Jazz, Swing, Charleston … diese Musik, diese Tänze stehen für Freiheit von Körper und Geist. Unvorstellbar heute, aber damals herrschten strenge Kleiderordnungen und Vorgaben der Standardtänze, viele, viele Konventionen, sodass diese Musik damals als wild und entartet galt